Das Wort Stress ist mittlerweile inflationär in aller Munde. Doch was ist mit „Stress“ eigentlich ursprünglich gemeint?
Aus der biologisch-medizinischen Perspektive wird Stress als eine unspezifische Anpassungsreaktion eines Organismus auf einen neuen, unbekannten Reiz betrachtet, das ist eine mögliche Definition von Stress. Das drückt bereits aus, dass Stress nicht per se schlecht ist.
Die biologische Stressreaktion ist eine Abfolge automatischer Programme, die evolutionsbiologisch das Überleben sichern sollten. Evolutionär liegt das Ziel auf der schnellen Bereitstellung von Energie und der Aktivierung zur Erhöhung des Leistungspotentials des Organismus, um einem bedrohlichen Reiz zu entkommen oder ihn zu bekämpfen. Bereits im Jahre 1915 bezeichnete der Physiologe Walter Cannon dieses Phänomen als Fight-or-flight-reaction. Findet keins der beiden Möglichkeiten (Flucht oder Kampf) statt, so bleibt die unverbrauchte Energie im Organismus erhalten.
Nach dem Yerkes-Dodson-Gesetz erhöht sich die Leistungsfähigkeit eines Organismus bei mittlerer Aktivierung auf das höchste Niveau. Ist die Aktivierung zu niedrig oder zu hoch, fallen Effektivität und Produktivität stark ab.
Daher ist Stress grundsätzlich nicht schädlich. Der Mensch braucht ein passendes Aktivierungsniveau um alltäglichen Anforderungen gerecht werden zu können.
Wie entsteht Stress?
Bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beobachteten verschiedene Wissenschaftler, dass bestimmte Situationen bei manchen Individuen Stress auslösen, bei anderen jedoch nicht. Mithilfe theoretischer Erklärungsansätze identifizierten Wissenschaftler die psychischen und physischen Elemente der Stressentstehung.
Eine Erklärung dafür, warum dieselbe Situation bei einer Person Stress auslöst und bei einer anderen nicht, liefert der Psychologe Richard Lazarus. Er identifiziert die Bewertung einer Situation durch eine Person als ausschlaggebend für die Stressentstehung.
Bewertet eine Person eine Situation als bedrohlich, wird eine Stressreaktion ausgelöst. Eine Person geht in einer stressauslösenden Situation davon aus, dass ihr zur erfolgreichen Handhabung der Situation die Möglichkeiten fehlen.
Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus
Lazarus postuliert in seinem Transaktionalen Stressmodell, dass eine Interaktion von Person und Umwelt vorliegt. Die Ursache für das Auslösen der Stressreaktion liegt nach Lazarus allein in der subjektiven Überzeugung der Person, dass sie die gegebene Situation nicht bewältigen kann. Die Person bewertet eine Situation hinsichtlich des eigenen Wohlergehens (primary appraisal). Empfindet sie diese Situation als neutral, also nicht relevant, oder stuft sie als angenehm, also positiv, ein, wird keine Stressreaktion ausgelöst.
Stuft die Person diese Situation jedoch als bedrohlich ein und nimmt sie als Herausforderung wahr, weil ihr daraus Nachteile drohen könnten, prüft sie zunächst ihre vorhandenen Ressourcen. Sie wägt ab, ob ihr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um diese Situation erfolgreich zu bewältigen (secondary appraisal). Kommt die Person zu dem Entschluss, dass sie die Situation in ihrem Sinne erfolgreich handhaben, also bewältigen kann, entsteht kein Stress.
Empfindet sie ihre zur Verfügung stehenden Ressourcen jedoch als nicht ausreichend, wird die Stressreaktion ausgelöst. Sie erwartet negative Konsequenzen, die ihren Status quo verschlechtern und bereitet sich auf eine Handlung vor. Im Falle der Stressentstehung, sowie im Falle der Nichtentstehung, wirkt die Bewertung der Person auf die Situation ein und kann diese dadurch beeinflussen. Wird die Situation negativ beeinflusst, kann das den Stress der Person weiter verschärfen. So entsteht ein zirkulärer Bezug, in dem die Person und die Situation transaktional verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen können
Der Begriff „Bewältigung“ meint in diesem Zusammenhang demnach nicht das erfolgreiche Beseitigen des Stressors, sondern jeden Weg, erfolgreich mit der Situation umzugehen.
Fazit
Wir brauchen also den Stress, damit unser Körper uns Energie für außergewöhnliche Belastungen bereitstellt. Schädlich wird Stress erst, wenn er dauerhaft besteht, weil er nicht adäquat bewältigt werden kann. Eine Folge von unbewältigtem Stress ist die Entwicklung eines Burnout-Syndroms.